In diesem Gedichtvergleich möchte ich das Werke „Die Eichbäume“ von Friedrich Hölderlin und „Wals, Bestand an Bäumen, zählbar“ von Günter Erich gegenüberstellen.
Zuvor werde ich beide Gedichte nacheinander analysieren und dann zu einem Vergleich der Ergebnisse kommen.
Friedrich Hölderlin ist ein berühmter deutscher Lyriker, welcher sich bevorzugt mit der Bestimmung des Menschen und der Natur beschäftigt, ähnlich wie Goethe.
Das Gedicht „Die Eichbäume“ entstand in 1797, also gegen Ende der Klassik und anfangs der Romantik. Die romantischen Züge lassen sich in der „Sehnsucht nach etwas Fernen, Unerfüllbaren und Unerreichbaren“ finden.
Zu Beginn des Gedichts gibt es eine Anapher, welche hervorhebt, dass sich das lyrische Ich in einem Garten befindet, welcher von fleißigen Menschen gepflegt wird und als begrenzter Lebensraum beschrieben wird. Dann wandert es in die Berge, wo Eichen wie Götter zusammenleben. Diese Berge, wo die Eichen nur dem „Himmel gehören“ (V.5), sollen Sehnsucht nach der Weite der Außenwelt symbolisieren. Das lyrische Ich sehnt sich nach einer Gesellschaft ohne Machtausübung, Unterdrückung und Zwängen, jedoch ist es an das gesellschaftliche Leben gebunden und kann dem nicht einfach entweichen. Gleichzeitig wird auch der „Einsamkeit-Gesellschaft“ Gegensatz angesprochen.
Weiterhin typisch für die Romantik ist der Kontrast zwischen „Kulturlandschaft“ und „Naturlandschaft“. Denn die Natur in den Gärten lebt „geduldig und häuslich“ (V.2), was so viel bedeutet, dass die Pflanzen von Menschen gezüchtet und so heraufgezogen worden sind, wie es die Menschheit verlangt. Der Garten steht ebenfalls als Bild für eine Form der Gesellschaft, in der menschliche Bindungen existieren, welche vom lyrischen Ich jedoch auch als einengend empfunden werden. Die Eichenbäume in den Bergen hingegen, bilden ein Bild der Gemeinschaft, denn jene können unbeschwert und frei leben. Sie stehen ebenfalls als Symbol für das Allein-Stehen von großen Dingen, also für eine Gemeinschaft, in der jeder einzelne autark ist, in der sich aber alle freiwillig zu einem Miteinander bekennen.
Es existiert also die emotionale Bindung an die menschliche Gemeinschaft, welche das lyrische Ich wählt, gegenüber dem Wunsch nach Freiheit.
In diesem Gedicht ist das Verhältnis von Mensch und Natur ein sehr tiefes, denn es werden Apostrophen verwendet, wenn Bäume direkt angesprochen werden, und jene werden um ihre Freiheit beneidet. Die Ehrfurcht vor den mächtigen Eichen wird durch Vergleiche wie „Wie ein Volk von Titanen“ (V.4) verstärkt.
Es wird die Frage behandelt, warum sich ein Mensch anpassen und fügen muss, um in einer Gesellschaft überleben zu können und warum die Menschen nicht einfach wie die Eichen in einem „freien Bunde“ (V.13) zusammenleben können.
Wie in den Versen 4 – 13 nachzuvollziehen ist, sind die Eichbäume jedoch nicht nur ein Vorbild, sondern auch mächtige Titanen, die im Gegensatz zu dem Garten, die Menschen nicht brauchen. Denn sie gehören nur sich selbst und dem Himmel, welcher ihnen die Möglichkeit gibt, immer höher zu wachsen und noch mächtiger zu werden. Wenn die Eichenbäume nebeneinander wachsen, nehmen sie den Himmel komplett ein und er gehört ihnen. Sie sind also für die Welt wie zum Beispiel Sterne am Himmel, sie sind wichtig und bilden in gewisser Weise ihre eigene Welt. Es ist ein Lob der Größe und der Freiheit der Eichen, welche von der Zivilisation unberührt sind und frei zusammenstehen.
Das lyrische Ich wäre gerne selbst einer der Bäume, jedoch könnte er es nicht ertragen, wie ein Baum immer am selben Platz zu stehen und nicht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Im selben Moment wünscht es sich jedoch, dass das gesellschaftliche Leben im nichts bedeutet, was in den Versen 14 – 17 nachzuvollziehen ist. Hier prägt Bewunderung zum Wald und der durch ihn repräsentierten Freiheit das Verhalten des lyrischen Ich. Am Ende überwiegt jedoch die emotionale Bindung an die menschliche Gemeinschaft, den Wunsch nach Freiheit.
Zu der häuslichen Natur wird in den Versen 2 -3 berichtet. In dem Bild des lyrischen Ichs leben Menschen und Natur friedlich zusammen und kümmern sich umeinander. Pflegt der Mensch den Garten, kümmert sich der Garten also auch um den Menschen. Zusammenfassend zu diesem Abschnitt lässt sich sagen, dass es hier um die Gärten als von Menschen kultivierte und domestizierte Natur geht.
„Die Eichenbäume“ lässt sich in die Gedichtform der Ode eingliedern, da es die Natur lobpreist.
Die Ode hat kein Reimschema und weist keine sichtbare, äußere Gliederung auf.
Trochäen und Daktylen sind unregelmäßig und gemischt, jedoch mit einem Auftakt und der Zeilenstil mit einigen Enjambements nimmt keinen besonderen Einfluss auf das Gedicht.
Das Gedicht hat 17 reimlose Verse mit Hexameter als Versmaß. Die innere Bewegtheit und Engagement des lyrischen Ich zeigen sich maßgebend durch Ausrufe wie „Aus den Gärten komm ich zu euch, ihr Söhne des Berges! (V.1), „Eine Welt ist jeder von euch“ als Inversion (V.12), Personifikationen wie zum Beispiel „da lebt die Natur“ (V.2) und Anaphern wie „Und ihr … Untereinander.“ (V.8-9). Zu dem finden sich auch Anreden wie „Aber ihr, ihr Herrlichen! (V.4), wertende Adjektive wie „mit gewaltigenArmen“ (V.10), Vergleiche „wie der Adler die Beute“ (V.9) und Metaphern wie zum Beispiel „Keiner von euch ist noch in die Schule der Menschen gegangen (V.7).
Nun stellt sich jedoch die Frage nach dem historischen Kontext, unter welchem dieses Gedicht steht. Hier findet sich nämlich neben der am Anfang erwähnten Romantik auch der Zeitbezug zur Tradition der Aufklärung und Klassik. Die Eichen stehen für das Bild als Genie, das Zusammenleben der Eichen als Bild für das aufklärerische und klassische Ideal. Das heißt, die Individuen bilden aus freier Entscheidung heraus die Gemeinschaft, die Platz für Selbstverwirklichung und Geborgenheit bietet.
Nun möchte ich mich dem zweiten Gedicht widmen, welches den Titel „Wald, bestand an Bäumen, zählbar“ trägt und von Günter Eich im Jahre 1943 veröffentlicht wurde.
Hier geht es darum, dass ein Wald, um genau zu sein Merlins Zauberwald, zu einer bloßen Nutzfläche und wirtschaftlichen Rohstoffquelle schrumpft. Die kühle Luft der Bäume, die Stille oder der Zauber der Vogelrufe sind einfach nicht mehr wichtig. Der Wald ist zu einer „Zivilisationslandschaft“, zu einem Konsumort geworden, in welchem man Früchte sammelt, Hirsche schießt oder den Baumwuchs kontrolliert. Denn eine andere, märchenhafte Dimension „wollen wir (die Menschen) nicht mehr“ (V.12).
Auch in diesem Gedicht lassen sich viele sprachliche Mittel finden.
Zum einen wird die achte und neunte Zeile durch eine Alliteration verbunden. Dies erzeugt in diesem Kontext eine ganz besondere Wirkung, denn die bisher alle sehr negativ wirkenden Worte schließt er mit dem Begriff „Zivilisationsgesellschaft“ (V.8) ab und beginnt nun mit dem Begriff „Zauberlandschaft“ (V.9) einen neuen Abschnitt. Schon alleine dieses erste Wort in diesem Teil des Gedichts deutet darauf hin, dass sich jetzt nun von der Beschreibung des bloßen Ist-Zustandes abgewendet wird. Bisher wurde lediglich beschrieben, was gerade vorhanden ist, nun jedoch wird das Magische ins Spiel gebracht.
Dieser inhaltliche und formale Bruch wird direkt im nächsten Vers verstärkt, der noch eine weitere Bedeutung hat, außer gegenüber der scheinbar langweiligen Natur, eine gewisse Geringschätzung auszudrücken. Denn das „Einhorn“ (V.10) ist ähnlich wie der „Zauberwald“ (V.9) lediglich ein Konstrukt menschlicher Fantasie, was das lyrische ich durch die Ergänzung „(das Tier, das es nicht gibt)“ (V.10) klarstellen möchte. Dieser in Klammern gesetzte Zusatz hebt sich also sprachlich von dem vergangenen Zeilen ab. Wie wichtig dem lyrischen Ich die Nicht-Realität ist, wird auch dadurch klar, dass dieser Satz nach dem „ist“ im zweiten Vers der erste Satz ist, in dem ein Verb vorkommt und daher eher wie eine mündliche Ergänzung wirkt. Denn jedem ist bewusst, dass Einhörner nicht existieren.
Jedoch sind Alliterationen und Wiederholungen nicht die einzigen Mittel, die sich finden lassen. Das Einsetzten von Superlativen wie „rentabelsten“ (V.3) verstärkt die Wirkung seiner Worte. Dadurch kommt zum Ausdruck, dass die Menschen immer nach dem Besten und Größten streben, und dabei andere Aspekte ignorieren würden. Weiterhin lassen sich Kontraste wie „Schonung“ (V.2) und direkt darauf folgend „Abholzung“ (V.2) finden, welche besonders hervorstechen.
Ich springe zurück zum ersten Vers, wo die Aufmerksamkeit des Lesers sofort geweckt wird. Er verwendet hier nichts als Großbuchstaben, welche einzelne Worte formen, die er durch Kommata voneinander trennt. Ein ähnlicher Stil zieht sich auch über die nächste Zeile, hier wird die Groß- und Kleinschreibung wieder beachtet, die Form der Aufzählung bleibt.
An der groben Struktur und dem Mangel an Verben, lässt sich das Prinzip des Gedichts gut verstehen. Der Autor wendet sich gegen jede Formvorgabe, denn es ist weder ein einheitliches Reimschema, noch ein durchgehendes Metrum oder ein durchweg identisches Versmaß zu finden.
Darüber hinaus besteht das Gedicht nur aus einer einzigen, unregelmäßig gestalteten Strophe, die sich nur aus zwei Sätzen aufbaut.
Entscheidend ist auch der Bezug des Gedichts zu seiner Entstehungszeit. Gegen Ende des Krieges, im Jahre 1945, erlebten die Menschen keine schöne Zeit. In Deutschland war die Nachkriegsstimmung sehr gedrückt, denn es gab zu viele Menschen, die es zu versorgen galt, aber zu wenige Ressourcen. So war es also die Folge, dass viele Menschen hungern mussten und die Bevölkerung nur noch in Ruinen wohnten, da der Krieg ihre Häuser zerstörte. Zudem waren die Menschen daran gewöhnt, auch nicht allzu viel Rücksicht zu nehmen. Es ging einfach nur ums Überleben und die Leute nahmen sich das, was sie bekommen konnten.
Im Vergleich zu den Städten und Siedlungen waren die Wälder und die Natur noch am geringsten zerstört, und so begann man sich an ihren Ressourcen zu bedienen. Um zu heizen wurde der erstbeste Baum geschlagen und auch um neue Häuser zu bauen und Industrien zu errichten, war das Holz der Bäume die beste Lösung. Hierzu findet man in dem Gedicht sogar ein konkretes Beispiel: „Papierindustrie“. (V.2)
Im Vergleich zu den Städten und Siedlungen waren die Wälder und die Natur noch am geringsten zerstört, und so begann man sich an ihren Ressourcen zu bedienen. Um zu heizen wurde der erstbeste Baum geschlagen und auch um neue Häuser zu bauen und Industrien zu errichten, war das Holz der Bäume die beste Lösung. Hierzu findet man in dem Gedicht sogar ein konkretes Beispiel: „Papierindustrie“. (V.2)
Nun möchte ich mich noch einmal zum Schluss auf den bereits mehrfach erwähnten Kontrast zwischen den Versen 9 – 13 und dem bisherigen Verlauf konzentrieren.
Denn hier wird ein neuer Ort eingebracht, und der Wald aus den vorherigen Versen, wird als „Zauberwald Merlins“ (V.9) benannt. Weiterhin geht es nur um irreale Dinge, wie das Einhorn, welches er dann auch für die Menschen erläutert, die die irreale Welt bereits vergessen haben.
Denn der Zauberwald Merlins und das Einhorn sind beides Dinge, die die Menschen heute nicht mehr wollen. Günter Eich nennt es die „vergessene Zukunft“ (V.13). Das lässt sich so interpretieren, dass die vorher genannten Begriffe in der Idee der Zukunft der Menschen stehen, und die Magie, an die früher geglaubt wurde, nun keine Rolle mehr spielt.
Komme ich nun zum Vergleich der beiden Gedichte.
Inhaltlich lässt sich sagen, spielt in beiden Gedichten der Wald eine große Rolle. Jedoch ist die Bedeutung dessen in beiden unterschiedlich.
In dem Gedicht von Hölderlin steht der Wald für die Spannung des Einzelnen zur Gesellschaft, bei Eich hingegen für direkte Gesellschaftsprozesse, die über das mögliche Bild des Menschen handeln.
Zudem weist das Gedicht von Hölderlin eher einen Zeitbezug zur Aufklärung und zur Klassik auf, Eich schafft eher einen Zeitbezug zur Gegenwart. Er stellt die gesellschaftliche Not in einer ungeschmückten Standortbestimmung dar, in der Fantasie keine Zukunft haben wird. Hier ist der Wald nur ein Wirtschaftsfaktor, also kein frei gestalteter, natürlicher Raum, sondern etwas, das vom Menschen kultiviert und ausgebeutet wurde. Es stellt das Symbol von einer durch Technik, Wissenschaft und Ökonomie geprägte Gesellschaft dar, welcher droht das magische verloren zu gehen.
Bei „die Eichenbäume“ ist das etwas anders. Hier stehen die Eichen als Bild für das Genie und ihr Zusammenleben für ein aufklärerisches und klassisches Ideal. Denn die Individuen bilden aus freiem Willen heraus eine Gemeinschaft, die Platz für Selbstverwirklichung und Geborgenheit bietet, etwas, dass in Eichs Gedicht dabei ist zu verschwinden.
Auch formal unterscheiden sich die Gedichte.
Beide weisen zwar hat kein Reimschema und keine sichtbare, äußere Gliederung auf, jedoch haben beide nur eine, sichtbar abgegrenzte Strophe.
Zudem weist das Gedicht „die Eichbäume“ ein lyrisches Ich auf, „Wald, Bestand an Bäumen, zählbar“ jedoch nicht.
In den stilistischen Mitteln unterscheiden sie sich ebenfalls sehr. Da Eichs Gedicht fast nur aus einzelnen Worten besteht, lassen sich hier viele Alliterationen finden, das von Hölderlin ist mit vielen Vergleichen und wertenden Adjektiven gespickt. Zudem arbeitete Eich eher mit harten Kontrastbilder, was bei Hölderlin kaum bis gar nicht zu finden ist. Ebenfalls wurden bei ihm keine Einschübe und Erklärungen vorgenommen, wie sie bei Eich in Form von Fußnoten zu finden sind.
Beide Autoren geben eine Kritik an die Gesellschaft ab, Eich jedoch radikaler und direkter als Hölderlin. Sie haben beide das Ziel aus eben jener Gesellschaft zu fliehen, Hölderlin in den Wald und Eich in die Fantasie, die seines Erachtens nach von den Menschen vergessen wird.
Was ja auch auf die Entstehungszeit des Gedichts zu schließen Sinn macht. Zur aufklärerischen Zeit Hölderlins, war die Sehnsucht und der Wunsch nach Freiheit essentiell und somit ist es auch nur logisch, dass sich Dichter wie er damit auseinandersetzten.
Eichs Gedicht wurde hingegen viele Jahre später verfasst, nach einem Krieg, der die Magie aus der ganzen Welt gesaugt hat. Seine Ansichten sind weniger verträumt, sie kritisieren eher direkt und zeigen mit festen, kaum fehlzuinterpretierenden Worten, wo die Probleme dieser Welt liegen.
Jedoch hatten beide Dichter die Intention, den Leser zum Nachdenken anzuregen. Hölderlin über die Gesellschaft und Eich über die Situation, in welche jene Gesellschaft alles brachte.
So lässt sich also schlussendlich sagen, dass mit den Gedichten „die Eichbäume“ und „Wald, Bestand an Bäumen, zählbar“ mehr als nur literarische Eindrücke eines Waldes geschildert, und somit zwei gesellschaftskritische Gedichte geschaffen wurden, die beide auf ihre Art faszinierend und außergewöhnlich sind.
Jo nice, vielen Dank
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